Steuerlicher Verlustvortrag bei Hightech-Unternehmen

Einführung

Der Lebenszyklus eines Unternehmens beginnt nicht selten mit einer Verlustphase, die über mehrere Perioden andauern kann und oft nur mit dem Ersparten des Gründers ausgeglichen wird. In seltenen Fällen gelingt es Jungunternehmern bereits zum Gründungszeitpunkt, Eigenkapitalinvestoren wie Business Angels oder Venture Capital Gesellschaften mit an Bord zu nehmen. Insbesondere Hightech-Unternehmen, die in den ersten Jahren der Produktentwicklung kaum Umsätze realisieren, dafür aber Personal- und Marketingkosten verbuchen, generieren steuerliche Verluste, die auf Folgejahre vorgetragen werden und mit künftigen Gewinnen verrechnet werden können. Zukünftige Steuerersparnis ist ein wertvolles Gut und spielt bei der Unternehmensbewertung eine bedeutende Rolle.

Ändern sich die Anteilsverhältnisse nach verlustreichen Jahren – z.B. weil Beteiligungsgesellschaften dem Kreise der Gesellschafter beitreten – besteht die Gefahr, dass die steuerlichen Verlustvorträge untergehen.

Beispiel: Ein Medtech-GmbH hat Verluste von 300 T€ angesammelt durch Forschungs- und Entwicklungsausgaben. Für den Markteintritt werden neue Mittel benötigt, die ein Investor im Tausch gegen 30% der Geschäftsanteile bereitstellen will. Alle Anteile der Gesellschaft sind 1.000 T€ wert, das steuerliche und handelsrechtliche Eigenkapital beträgt 25 T€.

Anteilsverkauf lässt Verlustvortrag untergehen

§ 8c KStG schränkt den Verlustabzug ein, wenn die Anteilseigner einer verlusttragenden Gesellschaft wechseln. Die Vorschrift soll verhindern, dass profitable Unternehmen die Verluste anderer Gesellschaften „kaufen”. Daher ist der Verlustabzug in dem Verhältnis untersagt, in dem Anteile übertragen wurden, wenn mehr als 25% der Anteile innerhalb von fünf Jahren übertragen werden. Werden, wie im Beispielsfall, 30% der Anteile übertragen, gehen 30% des Verlustvortrags verloren. Werden mehr als 50% der Anteile veräußert, geht der Verlustvortrag nicht nur anteilig, sondern vollständig verloren.

Stille Reserven retten Verlustabzug

Von diesem Grundsatz des Verlustuntergangs gibt es jedoch eine Ausnahme, die gerade bei innovativen Unternehmen in der Anfangsphase relevant ist:

Ausnahmsweise bleibt der Verlustvortrag erhalten, wenn und soweit stille Reserven in inländischem Betriebsvermögen vorhanden sind, § 8c Abs. 1 Satz 6 KStG.

Hintergrund: Der Steuerpflichtige soll die stillen Reserven, die in seinem Unternehmen enthalten sind und die zukünftig besteuert werden könnten, mit vorhandenen Verlustvorträgen verrechnen können.

Die stillen Reserven ergeben sich aus dem gemeinen Wert der Anteile, vermindert um das anteilige steuerliche Eigenkapital. Ist das steuerliche Eigenkapital negativ, wird nicht mehr der gemeine Wert der Anteile der Kapitalgesellschaft, sondern der gemeine Wert der Wirtschaftsgüter ihres Betriebsvermögens herangezogen. Innovative Unternehmen haben häufig stille Reserven in der Bilanz, da die Forschungs- und Entwicklungskosten (steuerlich) nicht aktiviert werden dürfen. Für sie ist die Ausnahmeregelung des § 8c Abs. 1 Satz 6 KStG besonders hilfreich: Weil Verluste mit späteren Gewinnen verrechnet werden dürfen, sprudeln diese zukünftigen Gewinne quasi unversteuert, bis die Verluste aufgebraucht sind. Für Investoren ist das ein sehr attraktives Angebot.

Schlussfolgerungen für den Beispielsfall: Nach dem Grundtatbestand des § 8c Abs. 1 KStG würden 30% des bis zur Transaktion aufgelaufenen Verlustvortrages verloren gehen. Der Verlustvortrag von 300 T€ geht i.Hv. 90 T€ unter (300 T€ x 30%). Bei den gegenwärtigen Steuersätzen von ca. 30% müssten in Zukunft 30 T€ Steuern mehr gezahlt werden, als bei Erhaltung der Verlustvorträge.

Jedoch kann die Medtech-GmbH auf ihre stillen Reserven verweisen: Der Verlustabzug bleibt trotz Anteilsübertragung erhalten, wenn und soweit stille Reserven im Betriebsvermögen enthalten sind. Stellt man auf eine Veräußerung basierend auf einem Unternehmenswert von 1.000 T€ ab, so ergeben sich – bei einem steuerlichen Eigenkapital von 25 T€ – stille Reserven von 975 T€. Der Großteil wird in den selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgütern ruhen. Diese stillen Reserven übersteigen die Verlustvorträge bei weitem. Die Verlustvorträge bleiben in diesem Fall erhalten.

Anmerkungen

Die Befreiungsvorschrift zu den stillen Reserven ist erst 2011 in Kraft getreten. Es könnte vor allem fraglich sein, ob bei negativem steuerlichen Eigenkapital nach § 8c Abs. 1 Satz 8 KStG das handelsrechtliche oder das steuerbilanzielle Betriebsvermögen zu berücksichtigen ist. Wäre nur das steuerliche Betriebsvermögen heranzuziehen, entfielen bei negativem steuerlichen Eigenkapital die selbst geschaffene immateriellen Wirtschaftsgüter (Patente, Softwareplattformen, Marken o.ä.) als wesentliche Träger stiller Reserven. Dies würde dem Sinn der Befreiungsvorschrift entsprechen, denn gerade in solchen Wirtschaftsgütern stecken typischerweise stille Reserven. Rechtsprechung und Finanzverwaltung haben sich zu diesem Punkt bisher nicht geäußert. Endgültige Sicherheit zur Frage der Erhaltung des Verlustabzugs gibt nur der Antrag auf eine verbindliche Auskunft beim Finanzamt.

Verfasser: Dr. Andreas Schneider und Mathias Nebel

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